Das Bundesverfassungsgericht hat heute über die Verfassungsbeschwerden von 15 Landkreisen und einer kreisfreien Stadt zur rechtlichen Stellung von Optionskommunen entschieden. Optionskommunen sind diejenigen Kreise und Städte, die Langzeitarbeitslose (und ihre Familien) in Eigenregie, d.h. ohne die Bundesagentur für Arbeit, betreuen und in den Arbeitsmarkt integrieren. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, kommentierte das Urteil: „Der Deutsche Landkreistag begrüßt, dass das Bundesverfassungsgericht die direkten Prüfbefugnisse des Bundes bei den Optionskommunen eingeschränkt hat. So darf der Bund künftig vertretbare Rechtsauffassungen der Optionskommunen nicht beanstanden und auf dieser Grundlage Mittel vorenthalten.

Denn der Bund hat nachträglich und rückwirkend Rückforderungen geltend gemacht, wenn die kommunale Praxis von – zuvor nicht bekannt gemachten – Bundesauffassungen abweicht." Darüber hinaus habe das Gericht festgestellt, dass der Bundesgesetzgeber nicht an die derzeitige zahlenmäßige Begrenzung der Optionskommunen gebunden sei, und insofern Zweifel am bisherigen Auswahlverfahren geäußert: „Der Gesetzgeber hat es nunmehr in der Hand, weiteren interessierten Landkreisen die Möglichkeit zu eröffnen, gleichfalls noch ein kommunales Jobcenter einzurichten."

Der Bund habe sich bei den Prüfungen der Optionskommunen eine Aufsichtsfunktion angemaßt, die ihm nicht zustehe: „Diese Praxis ist nun in ihre Schranken verwiesen worden, da sie die kommunale Aufgabenwahrnehmung stark beeinträchtigt. Das ist ein großer Erfolg der Verfassungsbeschwerde. Damit ist dem Ziel der Beschwerdeführer in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Rechnung getragen." Die Befugnisse des Bundes erlaubten es nach Auffassung des Gerichts nicht, vertretbare Rechtsauffassungen des zugelassenen kommunalen Trägers zu beanstanden und auf dieser Grundlage Mittel vorzuenthalten. Das Bundesarbeitsministerium sei zudem nicht befugt, einzelne Optionskommunen vom automatisierten Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (HKR-Verfahren) auszuschließen. Henneke sagte, dass die Entscheidung die Aufgabenwahrnehmung der Optionskommunen ab jetzt wesentlich erleichtern wird.

Daneben bezog er Stellung zur weiteren Entscheidung des Gerichts, dass sich zwar aus der Verfassung kein Anspruch ergebe, ein kommunales Jobcenter einzurichten. Das Gericht habe jedoch die Chance für die einzelnen Landkreise und Städte bekräftigt, sich für die Option zu entscheiden. „Es muss anerkannt werden, dass Landkreise im Interesse ihrer Bevölkerung bereit sind, Verantwortung in diesem schwierigen Handlungsfeld zu übernehmen. Diesem großen Interesse und der damit verbundenen Bereitschaft sollte die Politik nachkommen und die Option weiter öffnen. Das vom Grundgesetz vorgegebene Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen kommunalen Jobcentern und gemeinsamen Jobcentern mit der Arbeitsagentur kann dabei zahlenmäßig jedenfalls immer noch gewahrt bleiben", so Henneke.

Bei dem Verfahren sei es demgegenüber nicht um die Grundsatzfrage gegangen, ob entweder kommunale Jobcenter oder gemeinsame Einrichtungen mit der Bundesagentur für Arbeit das bessere Modell seien. „Ziel der klagenden Kommunen war neben der Frage der Prüfbefugnisse des Bundes lediglich, auch denjenigen 32 Landkreisen und kreisfreien Städten die Einrichtung eines kommunalen Jobcenters zu ermöglichen, die 2011 wegen des beschränkten Platzkontingents nicht zum Zuge gekommen sind."

Darüber hinaus hat das Gericht dem Bundesgesetzgeber strikt untersagt, Regelungen zu treffen, die die Binnenorganisation der Kommunen betreffen. Auch das ist ein großer Erfolg für die kommunale Selbstverwaltung, so Henneke.

Die kommunalen Verfassungsbeschwerden richteten sich im Wesentlichen gegen

1. die Prüfbefugnisse des Bundes bei den Optionskommunen

Es ist eine grundsätzliche Frage, dass der Bund nachträglich und rückwirkend Erstattungsansprüche gegenüber den Optionskommunen geltend macht, wenn die kommunale Praxis von – zuvor nicht bekannt gemachten – Bundesauffassungen abweicht. Die Mittel wurden aber an Leistungsempfänger oder Maßnahmeträger ausgereicht und können nicht zurückgeholt werden. Damit droht das Damoklesschwert finanzieller Risiken für den kommunalen Haushalt. Bei den Verfassungsbeschwerden ging es um die Frage, ob der Bund sich mit den Prüfungen eine Quasi-Aufsicht anmaßen darf, da die Aufsicht den Ländern obliegt. Die Länder üben diese auch aus, so dass es immer wieder zu Widersprüchen mit dem Bund kommt.

2. die zahlenmäßige Begrenzung des neuen Optionskontingents

Mit den 67 alten Optionskommunen, die seit dem Inkrafttreten von Hartz IV im Jahre 2005 das SGB II allein umsetzen, und der Ausweitung der Option um weitere 41 im Jahre 2011 gibt es insgesamt 108 kommunale Jobcenter. In allen anderen Landkreisen/kreisfreien Städten bestehen gemeinsame Einrichtungen mit der Bundesagentur für Arbeit, dies sind ca. 300. Das Optionsinteresse überstieg 2011 das neue Kontingent von 41 Plätzen um weitere 32 Anträge von Landkreisen/kreisfreien Städten. Diese waren zuvor von ihrem Land als geeignet befunden worden, das SGB II allein umzusetzen.

3. 2/3-Quorum für den Kreistagsbeschluss

Schließlich richtete sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Regelung, nach der für den Antrag einer Kommune auf Zulassung zur Option eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Kreistag/Stadtrat nötig ist. Im Kommunalrecht der Länder gibt es ein solches Quorum nicht, hier reicht in der Regel die einfache Mehrheit. Es geht daher um die grundsätzliche Frage, ob der Bund die Gesetzgebungskompetenz für eine solche Regelung hat.



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