Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem aktuellen Verfahren zur Kreisumlage im Landkreis Forchheim einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, wonach der Landkreis – auch wenn er bei der Festsetzung des Umlagesatzes Verfahrensfehler macht – kein formales Anhörungsverfahren durchführen muss, um den Finanzbedarf der Gemeinden zu ermitteln. Das Gericht erachtet zudem einen rückwirkenden Neuerlass der Haushaltssatzung als zulässig, so dass ein Klageerfolg nicht zwangsläufig zu einer Rückzahlungsverpflichtung führe. Zur Abkühlung der zur Festsetzung der Kreisumlage äußerst erhitzt geführten Diskussionen hat der Deutsche Landkreistag die nachfolgenden 20 Kernsätze aus der Entscheidung zur Information der Kommunalpolitik im kreisangehörigen Raum herausgefiltert:

Materiell-rechtliche Überprüfung

1. Aus Art. 28 Abs. 2 GG folgen neben prozeduralen Anforderungen (dazu Nr. 8 ff.) materiell-rechtliche Schranken in Form einer relativen und einer absoluten Grenze.

2. In relativer Hinsicht darf der Landkreis seinen eigenen Finanzbedarf nicht beliebig ausweiten, mithin seine eigenen Aufgaben und Interessen nicht einseitig und rücksichtslos gegenüber den Aufgaben und Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetzen.

3. Art. 28 Abs. 2 GG zieht der Kreisumlageerhebung eine absolute Grenze dahingehend, dass sie nicht zu einem Unterschreiten der verfassungsgebotenen finanziellen Mindestausstattung führen darf, wobei die Grundsatzfrage bislang ungeklärt ist, wie die verfassungsfeste finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden konkret bestimmt werden kann.

4. Jedenfalls bedarf es der hinreichenden Darlegung einer strukturellen Unterfinanzierung aller oder jedenfalls der Mehrzahl der kreisangehörigen Gemeinden, die einen längeren, zumindest mehrjährigen Zeitraum abdeckt. Hierfür gelten generell hohe Substantiierungsanforderungen.

5. Gemeinden können Kreisumlagebescheide oder Haushaltssatzungen des Landkreises mit der Begründung angreifen, dass der Kreishaushalt Ausgaben für landkreisfremde Zwecke in einem Umfang vorsieht, der sich auf den Umlagesatz mit mindestens einem Prozentpunkt auswirkt.

6. Die kreisangehörigen Gemeinden können die Rechtmäßigkeit konkreter Ausgabepositionen im Haushaltsplan des Landkreises nur im Rahmen der materiellen Prüfung des Umlagebescheides mit dem Einwand in Frage stellen, dass damit landkreisfremde Aufgaben finanziert werden. Sie können deren Rechtmäßigkeit dagegen nicht unter formellen Gesichtspunkten in Frage stellen.

7. Die Rechtmäßigkeit der einzelnen Haushaltsansätze ist somit keine Voraussetzung für die Erhebung der Kreisumlage.

Prozedurale Überprüfung

8. Aus der Gewährleistung des gemeindlichen Rechts auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung nach Art. 28 Abs. 2 GG ergeben sich ungeschriebene Verfahrensanforderungen.

9. Diesen Verfahrensanforderungen kann der Landkreis wahlweise durch Anhörung der Gemeinden oder im Wege der Nutzung anderer Informationsquellen nachkommen.

10. Die prozeduralen Anforderungen an den Satzungserlass bieten einen notwendigen Ausgleich für die eingeschränkte gerichtliche Kontrolldichte bei der materiell-rechtlichen Prüfung der Haushaltssatzung am Maßstab der verfassungsgebotenen finanziellen Mindestausstattung der Gemeinden.

11. Den Landkreisen kommt ein weites Verfahrensermessen bei der Ermittlung des gemeindlichen Finanzbedarfs zu.

12. Die Durchführung eines formalisierten Anhörungsverfahrens ist nicht unabdingbar geboten.

13. Der Zweck der prozeduralen Anforderungen kann ebenso gut oder sogar besser durch den Rückgriff auf bereits vorhandenes bzw. regelmäßig erhobenes Datenmaterial erreicht werden.

14. Die prozeduralen Ermittlungspflichten des Landkreises können sich nicht auf das bloße Zur-Kenntnis-Nehmen der Umlagekraftzahlen beziehen bzw. sich darin erschöpfen.

15. Ein formloser kommunalpolitischer Informationsaustausch zwischen Organen des Landkreises und der Gemeinden genügt nicht, um dem Kreistag die notwendige fundierte Entscheidungsgrundlage zu verschaffen.

16. Ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlich begründeten Verfahrensanforderungen führt zur Nichtigkeit der Haushaltssatzung.

17. Allerdings ist ein rückwirkender Neuerlass der Haushaltssatzung mit der Folge zulässig, dass darauf beruhende fehlerhafte Kreisumlagebescheide geheilt werden.
18. Haushaltsrechtliche Vorgaben stehen einem solchen rückwirkenden Satzungserlass nicht entgegen.

19. Die Nachholung des Satzungserlasses erscheint auch nach Ablauf des Haushaltsjahres möglich und geboten.

20. Eine Anhörung vor Erlass der einzelnen Umlagebescheide ist nicht geboten, da angesichts der geforderten Gleichbehandlung aller kreisangehörigen Gemeinden eine Berücksichtigung gemeindespezifischer Finanzbelange bei der Festsetzung des Umlagesatzes oder des konkreten Umlagebetrags von vornherein ausscheidet.


Der Beschluss des BayVGH ist hier abrufbar.


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