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Das Bundeskabinett hat am 14.8.2019 den Gesetzentwurf eines Angehörigen-Entlastungsgesetzes verabschiedet. Damit sollen unterhaltsverpflichtete Eltern und Kinder von Leistungsbeziehern der Sozialhilfe finanziell spürbar entlastet werden. Kernstück ist die geplante Aufhebung des Unterhaltsrückgriffs bis zu einem Jahreseinkommen von 100.000 €. Dies ist vor allem für Kinder von pflegebedürftigen Angehörigen relevant, die künftig erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 € einen Beitrag zu den Pflegekosten leisten sollen.

Der Deutsche Landkreistag unterstützt das Ziel, die Familien von Pflegebedürftigen zu entlasten und die familiale Pflegebereitschaft zu stärken. Zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut, und zwar mit hohem Einsatz von ihren Angehörigen oder/und mit professionellen Pflegediensten.

Zur Verbesserung der finanziellen Situation von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen sollten daher in erster Linie die Leistungen der Pflegeversicherung erhöht werden. Dies wäre das richtige Signal, dass die Gesellschaft die Belastungen von Angehörigen anerkennen will und eine solidarische Entlastung erfolgt.

Wir kritisieren hingegen die geplante Aufhebung des Unterhaltsrückgriffs in der Sozialhilfe. Dies wäre aus den folgenden Gründen nicht der richtige Weg:

  1. Angehörige werden sich durch weitgehende Aufhebung des Rückgriffs schneller dafür entscheiden, ein pflegebedürftiges Familienmitglied in ein Pflegeheim zu geben, wenn dafür keine Unterhaltszahlungen mehr anfallen. Die Erfahrungen in einzelnen österreichischen Ländern, die den Unterhaltsrückgriff gestrichen haben, zeigen einen deutlichen Anstieg der Heimanträge. Dies muss nicht zuletzt im Interesse der betroffenen Menschen, die in der Regel zu Hause alt werden möchten, verhindert werden. Insofern bedarf es anderer Steuerungsmechanismen, um die Pflege in der Häuslichkeit zu unterstützen.

  2. Ohne Unterhaltsrückgriff würde man diejenigen „begünstigen", die die Pflege nicht im Familienverband selbst oder mit Pflegediensten sicherstellen. Denn ein Unterhaltsrückgriff findet schon heute in der Regel nicht statt bei unterhaltspflichtigen Personen, die die Pflege durchführen und damit den Unterhalt in natura erbringen.

  3. Es ist nicht ersichtlich, warum Bürger mit gutem Einkommen über die steuerfinanzierte Sozialhilfe entlastet werden sollen. Aufgabe der Sozialhilfe ist es, Hilfe (nur) demjenigen zukommen zu lassen, der sie nicht von anderen, insbesondere Angehörigen, erhält. Das Sozialrecht korrespondiert insoweit mit dem zivilrechtlichen Unterhaltsrecht. Es käme im Ergebnis zu einer finanziellen Entlastung von Besserverdienenden über die Sozialhilfe, die aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse bisher einen finanziellen Beitrag leisten. Die familiäre Einstandspflicht würde aufgehoben und durch Steuergelder kompensiert.

  4. Familiäre Solidarität darf keine Einbahnstraße sein. Während Eltern für ihre minderjährigen Kinder einstehen müssen, könnten volljährige Kinder sich der Verpflichtung entziehen, indem sie die Eltern auf die Sozialhilfe „verweisen".

  5. Zur Vermeidung finanzieller Überforderung von Unterhaltspflichtigen hat die Rechtsprechung heute schon viele Selbstbehalte und Schonvermögensgrenzen festgelegt.

Sollten Bundestag und Bundesrat den Gesetzentwurf so verabschieden, müssen die kommunalen Belastungen vollständig ausgeglichen werden. Dies ist sowohl eine Zusage im Koalitionsvertrag als auch eine Forderung der Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse.

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