Der Deutsche Landkreistag ist heute und morgen zu seiner Jahrestagung im bayerischen Kloster Seeon (Landkreis Traunstein) zu Gast. Am heutigen Tag sprachen u. a. Vizekanzler Dr. Robert Habeck und Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder zu den Landrätinnen, Landräten und Delegierten aus den Landkreisen. Landrat Reinhard Sager, dessen Amtszeit als DLT-Präsident nach zehn erfolgreichen Jahren morgen endet, sagte in seiner Eröffnungsrede: „Die Politik muss mehr liefern, besser kommunizieren und darf sich nicht ständig verheddern im Klein-Klein. Dafür geht es um zu viel. In der Verunsicherung der Zeitenwende ist es umso mehr Aufgabe der Politik, Wege zu finden, das Vertrauen der Bevölkerung zu stärken.“ Spätestens die Ergebnisse der Landtagswahlen im Frühjahr und Herbst 2016 hätten gezeigt, dass sich viele Menschen in ländlichen Räumen abgehängt fühlen. „Jetzt ist es in Sachsen und Thüringen noch einmal dicker gekommen. Wichtig ist die Erkenntnis, dass Deutschland dezentral geprägt ist und die meisten Menschen in der Fläche leben. Für diese muss zuallererst Politik gemacht werden.“
Die Jahrestagung mit dem Titel „Herausforderungen für die Landkreise in der Zeitenwende“ knüpft direkt an die tiefgreifende Veränderung in der deutschen Politik und Gesellschaft an, die durch die veränderten geopolitischen Realitäten und die Notwendigkeit einer Anpassung an neue Herausforderungen ausgelöst wurde. Sager dazu: „Wir können nicht von Normalzeiten sprechen: Zu groß sind die politischen Herausforderungen, zu unruhig die politische Landschaft, zu beunruhigend die jüngsten Wahlentscheidungen und zu kritikwürdig das Agieren der Regierungskoalition in Berlin.“
Der Vizekanzler entgegnete: „Den Herausforderungen unserer Zeit müssen wir uns gemeinsam stellen“, so Habeck. Es brauche jetzt die fortgesetzte, konzentrierte Zusammenarbeit aller demokratischen Kräfte, in ländlichen Räumen und in den Städten für ein gutes gesellschaftliches Miteinander auch in herausfordernden Zeiten. „Dabei sind die Landkreise und der Landkreistag eine entscheidende Stimme und ein zentraler Partner vor Ort, sie arbeiten Tag für Tag daran, das Leben für die Menschen vor Ort besser zu machen und die großen Herausforderungen zu bewältigen.“
Zuvor hatte der bayerische Ministerpräsident die Landrätinnen und Landräte in Seeon begrüßt. Er sagte: „Der Freistaat Bayern ist starker Partner der Kommunen und des ländlichen Raums. Nur wenn es den Kommunen gut geht, geht es dem Land gut. Leider legt ihnen der Bund aber durch praxisferne Beschlüsse und Bürokratie immer neue Steine in den Weg. Das führt zu Überforderung. Gerade in der Asylpolitik, bei der Energie und der fehlerhaften Krankenhausreform wird das deutlich. Bei der Migration braucht es in Deutschland am Ende weit weniger als 100.000 Zugänge pro Jahr, weil Integration sonst nicht mehr möglich ist. Bayern bekennt sich zu den Kommunen und sorgt durch das Konnexitätsprinzip für eine gute finanzielle Ausstattung. Rund 30 % des Haushalts geht an unsere Kommunen. Der ländliche Raum ist die Seele Bayerns und hat für uns den gleichen Stellenwert wie die Metropolen“, so Söder.
Die Landkreise unternähmen viel, so Sager weiter, um gerade in schwierigen Zeiten als Stabilitätsanker in der Fläche wahrgenommen zu werden. Es sei wichtig, das Vertrauen der Menschen in staatliche Strukturen zu stärken. „Es müssen demokratische Mehrheiten gefunden werden – und das ist bei der jüngsten Wahl der Kreistagsvorsitzenden überall gelungen. Aber aus Sicht der Landkreise besteht kein Grund zur Zufriedenheit mit der Bundespolitik: Es lässt sich etwa beim Heizungsgesetz, beim 49-Euro-Ticket oder in der Krankenhausversorgung sowie im Wohnungsbau nicht behaupten, dass die Bundesregierung eine Politik für das gesamte Land gemacht hat.“
In der Migrationspolitik lasse der Bund Konsequenz, Ordnung und Steuerung vermissen. Neben schnelleren Asylverfahren brauchen wir daher dringend geringere Zuzugszahlen. Dazu dauerhafte Grenzkontrollen und mehr Migrationsabkommen mit Drittstaaten, auch mit der Türkei. „Und der Bund versagt uns seit Anfang 2022 den Vollausgleich der flüchtlingsbedingten Unterkunftskosten. Da reden wir bis heute über mehr als 7 Mrd. €.“
Sager wies zudem darauf hin, dass ohne ordentlich finanziell ausgestattete Landkreise und Gemeinden kein Staat zu machen sei. „Von den 294 Landkreisen haben im letzten Jahr 189 ihren Haushalt nicht oder nur unter Rückgriff auf ihre Rücklangen ausgleichen können. Das sind zwei Drittel. 2024 werden dies 281, also fast alle Landkreise sein. Vielfach werden die Rücklagen in Milliardenhöhe damit vollständig aufgebraucht sein.“ Die Länder, aber über die Stärkung der kommunalen Steuerbasis auch der Bund, müssten für eine aufgabenangemessene Finanzausstattung der Kommunen sorgen.
Die föderalen Kräfte müssten insgesamt gestärkt und dürfen nicht geschwächt werden. Das betreffe auch den Klimaschutz. „Fortschritte kann es hier nur gemeinsam mit den Landkreisen geben. Wir sehen große Wertschöpfungspotenziale in den ländlichen Räumen, zum Beispiel bei der Windenergienutzung oder bei Wasserstofftechnologien. Zudem muss die Netzentgeltregulierung so ausgestaltet werden, dass nicht die besonders intensiv die erneuerbaren Energien tragenden Landesteile die höchsten Netzentgelte leisten müssen.“
Die Berliner Politik müsse sich stärker dafür einsetzen, die Menschen in unserem Land zusammenzuführen, so der DLT-Präsident zum Schluss. „Wir müssen alles daransetzen, unser Land weiterzuentwickeln, seine Errungenschaften zu sichern und es für den globalen Wettbewerb zu rüsten. Ich sehe zu diesem Miteinander, dem wir wieder zu mehr Geltung verhelfen müssen, keine Alternative.“