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Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen. Das hat der Deutsche Landkreistag nach der jüngsten Sitzung seines Präsidiums im Landkreis Friesland (Niedersachsen) einmal mehr für die kommunale Ebene eingefordert. DLT-Präsident Landrat Dr. Achim Brötel verglich in Jever die aktuelle Situation in Deutschland dabei mit einem Schiff, das immer schwerer ins Wasser gedrückt werde und inzwischen kaum mehr vom Fleck komme: „Die Bundes- und Landespolitik hat die kommunale Ebene in den letzten Jahren maßlos überladen. Die Städte, Landkreise und Gemeinden haben im letzten Jahr ein Defizit von mehr als 20 Mrd. € verkraften müssen. So tief in den roten Zahlen waren wir noch nie. Und: Die Situation spitzt sich durch teure Tarifabschlüsse und steigende Sozialausgaben weiter zu. Wenn aber der kommunale Motor stottert oder womöglich sogar ganz ausfällt, wären wir handlungsunfähig. So weit darf es nicht kommen." Vizepräsident Landrat Sven Ambrosy, zudem Gastgeber der Sitzung, ergänzte: „Es ist richtig, dass wir angesichts des seit mehr als 20 Jahren anhaltenden Sanierungs- und Ausbaustaus auf kommunaler Ebene auch Investitionsprogramme brauchen. Aber sehr viel dringender muss Schluss sein mit unserer strukturellen Unterfinanzierung. Dazu sind zwei Dinge zwingend erforderlich: Überflüssiger Ballast muss weg und wir brauchen deutlich mehr Steuermittel als Grundfinanzierung.“

Der Deutsche Landkreistag tritt für eine nachhaltige Stärkung der Finanzkraft der Kommunen ein, womit dann automatisch auch mehr selbstbestimmte Investitionen auf kommunaler Ebene einhergehen würden. „Dafür muss der Bund der kommunalen Ebene endlich mit mehr Steuermitteln helfen. Konkret fordern wir vom Bund deshalb die Verdreifachung des kommunalen Umsatzsteueranteils in einer Größenordnung von 11 bis 12 Mrd. € pro Jahr. Anders werden wir das Ruder nicht herumreißen können, sondern geraten immer mehr in die Schuldenspirale und in den Strudel der finanziellen Handlungsunfähigkeit“, so Brötel.

Zwar werde das milliardenschwere „Sondervermögen Infrastruktur“ zweifelsohne seine Effekte haben. Dazu sei es allerdings auch erforderlich, dass die Länder ihren Kommunen die Investitionsmittel schnell, einfach und vor allem so zur Verfügung stellten, dass sie nicht nach irgendwelchen abstrakten Vorgaben, sondern nach den jeweils drängendsten Problemen vor Ort zum Einsatz kommen könnten. „Was wir ganz sicher nicht brauchen, sind umständliche Antrags-, Vergabe- und Nachweisverfahren, die alles nur wieder über Gebühr verzögern“.

Und: Investive Mittel allein seien, so Brötel, vor allem auch keine Lösung für das Problem der nicht ausreichend finanzierten kommunalen Grundlasten. „Das sind doch ganz offenkundig zwei Paar Stiefel, die man deshalb auch nicht miteinander verwechseln darf. Wenn unsere chronische Unterfinanzierung nicht endlich behoben wird, droht den Kommunen schlicht und ergreifend die Handlungsunfähigkeit. Das gilt es aber unter allen Umständen zu verhindern. Auf der kommunalen Ebene nehmen die Bürgerinnen und Bürger ihren Staat doch in erster Linie wahr. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass es dort auch weiterhin rund läuft.“

Daher brauche es, so Brötel, beides: Investitionen und eine angemessene kommunale Grundfinanzierung. Darüber hinaus erwarten die Landkreise zudem deutlich mehr Unterstützung vom Bund für die Erfüllung sozialer Aufgaben. „Bis Ende 2021 hat der Bund etwa die Unterkunftskosten für Geflüchtete im Bürgergeld vollständig übernommen. Seit 2022 bekommen die Landkreise und Städte hingegen nur noch einen Teil der Kosten erstattet. Allein dadurch fehlen mittlerweile 8,4 Mrd. € in den kommunalen Kassen.“

Eine weitere Maßnahme wäre laut Brötel die Erhöhung der Bundesbeteiligung an allen Geldleistungsgesetzen, vor allem im Sozialbereich. „Da könnte der Bund wirklich einmal etwas für die kommunale Ebene tun. Hinzukommen müssen aber etwa auch deutlich mehr Arbeitsanreize beim Bürgergeld oder eine spürbare Reduzierung der Standards bei den Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe. Jährliche Ausgabesteigerungen von mehr als 15 %, wie wir sie derzeit in diesen Bereichen haben, kann kein Haushalt verkraften. Und: Gerade dort floriert zudem die Bürokratie und kostet die Landkreise zusätzlich auch viel Geld“, sagte Brötel.

Darüber hinaus seien aber noch weitere Felder zentral: „Krankenhäuser, die bedarfsnotwendig sind, müssen zwingend auch auskömmlich finanziert werden. Eine Krankenhausstrukturreform, die zwar einen richtigen Ausgangspunkt hat, dann aber im Blindflug und vor allem an den Interessen der Menschen vorbei durchgepeitscht worden ist und zudem handwerkliche Fehler enthält, hilft hingegen niemand. Deshalb brauchen wir schnell einen rückwirkenden Inflationsausgleich. Die flächendeckende Gesundheitsversorgung der Menschen darf nicht zum Spielball von Insolvenzen werden. Das ist im Übrigen auch eine Frage, die für die Verteidigungsfähigkeit und den Zivilschutz in unserem Land existenziell ist.“

Abschließend kam der DLT-Präsident noch einmal auf das Milliardenpaket für Investitionen zurück: „Ohne parallele Korrekturen an den Planungs-, Genehmigungs- und Vergabeverfahren wird es auch jetzt nicht funktionieren.“ Hier könne man sich ein Beispiel am Konjunkturpaket von 2009 nehmen. „Damals gab es beherzte Maßnahmen zur Beschleunigung von Investitionen durch eine Vereinfachung des Vergaberechts in Bezug auf die Schwellenwerte für beschränkte Ausschreibungen und freihändige Vergaben bei Bauleistungen. Zudem wurden Planungs- und Genehmigungsverfahren verkürzt, insbesondere für Bauvorhaben und Infrastrukturprojekte. Das muss auch dieses Mal die Richtschnur sein.“

Brötel illustrierte das mit einem Blick auf die Lebenswirklichkeit 2025: „In den letzten zehn Jahren ist die durchschnittliche Dauer von Vergabeverfahren stattdessen von 62 auf 96 Tage gestiegen. Das ist eine Verlängerung um mehr als 50 %. Landkreise, Städte und Gemeinden brauchen aber dringend mehr Freiheiten und weniger Kontrolle. Die Kommunen haben ihre Fähigkeit zur Krisenbewältigung in den letzten Jahren doch mehrfach eindrucksvoll unter Beweis gestellt.“

 

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