Speicherstadt Münster – Konversion eines ehemaligen Heeresverpflegungshautamtes in Münster (Umsetzung 1999 bis 2011)

Die heutige Speicherstadt Münster liegt im Norden Münsters zwischen den Stadtteilen Kinderhaus und Coerde und wurde ursprünglich von 1937 bis 1939 auf freiem Feld als Heeresverpflegungshauptamt errichtet; die noch vorhandenen 7 Bodenspeicher, 2 Zellenspeicher sowie die Heeresbäckerei dienten den zielgerichteten Kriegsvorbereitungen der Nationalsozialisten in Deutschland. Neben der Lagerung und Trocknung von Getreide in den Speichergebäuden, wurden im ehemaligen „Proviantamt“ zwischen 1939 und 1945 täglich bis zu 30.000 Brote gebacken, um den Bereich der Garnison Münster bis zur Nordseeküste hin zu versorgen. Der Transport außenhalb der Gebäude erfolgte mittels Schienenverkehr bzw. im Lastverkehr auf den gepflasterten internen Wegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die britische Rheinarmee das ca. 21 Hektar große Gelände nördlich des Holtmannsweges bis 1994 unter der Bezeichnung „Winterbourne-Barracks“ als Versorgungsstützpunkt und Militärpolizeistandort.

Nach vier Jahren Leerstand begann erst 1998 die zivile Nutzung des Areals, als die WLV – eine 100 %-ige Tochtergesellschaft des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) – das Gelände mit den leer stehenden kompakten Speichergebäuden vom damaligen Bundesvermögensamt erwarb, um dort ihren zentralen Betriebsstützpunkt für die WestBahn zu errichten. Zu diesem Zeitpunkt wurde das gesamte Gebäudeensemble einschließlich der Außenanlagen unter Denkmalschutz gestellt. Nachdem der Bahnstandort nicht verwirklicht werden konnte, musste eine andere Nutzung für die Gebäude gefunden werden. Im Stadtgebiet Münster wurden zeitgleich weitere ehemalige Militärstandorte einer neuen Nutzung zugeführt; neben Umbauten von ehemaligen Kasernngebäuden zu Wohngebäuden, wurden Teilbereiche auch komplett abgerissen und als Gewerbegebiete neu vermarktet. Auf Grundlage zahlreicher Überplanungen der WLV und eines mit der Stadt Münster abgestimmten Masterplanes, zeigte sich bei den weiteren Planungen in der Speicherstadt schnell, dass die Bodenspeicher und die Bäckerei baulich hervorragend für Bürozwecke, aber auch zur Magazinnutzungen und zum Seminarbetrieb geeignet waren.

Im Rahmen des ersten Umbaus im Jahr 2000 machte sich die WLV die ehemalige Nutzung der Bodenspeicher zur Trocknung zu Eigen und entwickelte hieraus eine „Low-Tech-Klimaregulierung“ zur Archivierung von Grundakten im Magazingebäude des Staatsarchives (An den Speichern 14), die ein konstantes Raumklima (ca. 17 °C bei rd. 50 % rel. Feuchte) nur über den geregelten Luftaustausch bzw. die feuchtegesteuerte Erwärmung der Raumluft ermöglichte. Der erste Grundstein für die weitere Vermarktung des städtebaulichen Ensembles wurde gelegt.

Nach dem Umbau eines Bodenspeichers mit Büroflächen u.a. für die WLV (An den Speichern 6), konnten mit diesen beispielhaften Flächen ab 2001 weitere Mietinteressenten gewonnen werden. Dabei war es aus heutiger Sicht wichtig für die Konversion die Gebäude nicht einzeln zu veräußern, sondern die Verantwortung in einer Hand bei der WLV zu belassen; u.a. konnte so im Rahmen der Gespräche mit dem Denkmalschutz ein einheitliches Erscheinungsbild gefördert werden. Trotz Denkmalschutz war es somit auch möglich in den Fassaden jeweils auf die neuen Nutzungen einzugehen und Materialien abzustimmen, die für eine langfristige wirtschaftliche Nutzung unumgänglich waren. Die Gebäude konnten somit mit einem Wärmedämmverbundsystem ausgestattet werden, erhielten großzügige Aluminium-/Glaskonstruktionen im Bereich der Besprechungsräume oder Aluminiumfenster nach historischen Vorbild der Holzfenster in den Archiven und Büros, aber auch Metalldächer (statt Biberschwanz)  zur Verringerung des langfristigen Instandhaltungsaufwandes. Zahlreiche Führungen machten die Speicherstadt in der Öffentlichkeit bekannt; die Freiheiten bei der Grundrissgestaltung und die Möglichkeiten der zukünftigen Mieter sich bereits bei der Planung mit einzubringen, förderten die Nachfrage nach „Spezialimmobilien“ im historischen Gebäudebestand.

Gefolgt von dem Umbau eines weiteren Bodenspeichers für die Stadtteilwerkstatt und Archivflächen u.a. für die Archäologie der Stadt Münster (An den Speichern 14, 2001), konnte 2003 die Restaurierungswerkstatt der LWL-Archäologie mit weiteren Depotflächen (An den Speichern 12) eröffnet werden. Auch der 2003 umgebaute Speicher des Stadtarchivs der Stadt Münster (An den Speichern 8) und das 2006 eingeweihte technische Zentrum des Landesarchivs NRW (An den Speichern 11) weisen neben den spezifischen Arbeitsbereichen der Lesesäle und Werkstätten wiederum Archivflächen auf, die auf das ursprüngliche Konzept der Low-Tech-Klimaregulierung Bezug nehmen und auf Grund der hohen Traglast der Bodenspeicher (bis 1.500 kg/m²) mit „kilometerlangen“ Kompaktusanlagen ausgestattet werden konnten.

Im Jahr 2003 konnten für das Gebäude der ehemaligen Heeresbäckerei im Rahmen der Projektentwicklung zwei weitere Mieter gewonnen werden. Zum einen konnte so das kommunale Studieninstitut Westfalen-Lippe für die Speicherstadt als Seminarbetrieb gewonnen werden, zum anderen hielt die Fa. Bröker als großes Cateringunternehmen in die Speicherstadt Einzug. Neben den auf den Seminarbetreib abgestimmten Tagungsräumen, erwiesen sich hier die großen Freiflächen mit dem großen Parkplatzangebot als positiver Faktor der Vermarktung; auch die Nutzung der ehemaligen Backhalle für Veranstaltungen benötigte diese Frei- und Parkflächen. Zusätzlich bot sich durch den Catering- und Veranstaltungsbetrieb die Möglichkeit auf der Anlage ein eigens Casino als Kantine für die Mitarbeiter und Besucher in der Speicherstadt einzurichten.

Nach dem Umbau des letzten verbleibenden Bodenspeichers für das Land NRW als redundantes Rechenzentrum der IT NRW (An den Speichern 9, 2006), einem Hochsicherheitstrakt mit unabhängiger Versorgungs- und Kältetechnik, projektierte die WLV als große Herausforderung die letzten beiden Gebäude – die Zellen- bzw. Silospeicher. Die Besonderheit dieser Gebäude stellt das Fehlen der Geschossdecken dar, da dort vom vermeintlichen 1.OG bis 4. OG lediglich 36 ca. 13 m hohe Silos vorhanden waren. Auch hier gelang es nach Planungen des Architekturbüros unter Mitwirkung der Denkmalschutzbehörden die historischen Speicher zu öffnen, mit Geschossdecken zu versehen und Licht über große Fassadenöffnungen in das Innere gelangen zu lassen. So konnten auch diese Gebäude in den Jahren 2008 und 2011 an die Verwaltung der LWL-Archäologie für Westfalen bzw. an das Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung Münster (Land NRW) zur Nutzung übergeben werden. Nach und nach entstand so im Rahmen der Konversion ein modernes Büro- und Kommunikationszentrum auf der ehemals militärisch genutzten Fläche mit einer Vielzahl von öffentlichen und privaten Unternehmen.

Nach dem Umbau und der Sanierung des letzten Speichergebäudes im Jahr 2011 befinden sich etwa 500 feste Arbeitsplätzen in der Speicherstadt. Zusätzlich besuchen rd. 2.500 Personen wöchentlich die Institutionen und die Veranstaltungsräume der Speicherstadt. Die umgebaute Gesamtfläche beträgt rd. 50.000 m² BGF; der Leerstand tendiert gegen null. Alle Maßnahmen werden über die Mieteinnahmen refinanziert; der Mietzins entspricht dabei dem ortsüblichen Mietzins vergleichbarer Immobilien. Die Betriebskosten bewegen sich durch die gute Dämmung der Gebäude, die zentralen Versorgungstechniken und den Einsatz der abgestimmten Low-Tech-Klimaregulierungen auf niedrigem Niveau.

Der kommunale Spitzenverband der 294 Landkreise

Der Deutsche Landkreistag (DLT) vertritt drei Viertel der kommunalen Aufgabenträger, rund 96 % der Fläche und mit 57 Mio. Einwohnern 68 % der Bevölkerung Deutschlands.

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