Stade: Konversion der von Goeben-Kaserne zum neuen Stadtteil OttenbeckIm Dezember 1994 verlässt die Bundeswehr Stade – 320 ha Kasernengelände außerhalb der Stadt, fast 4 km vom Stadtzentrum entfernt, fallen nun erstmals in die Planungshoheit der Stadt. 1993 waren in Stade noch 2.500 Soldaten stationiert, außerdem 217 Angestellte, 50 Beamte und 256 Arbeiter als zivile Mitarbeiter. Ein Jahr später waren nur noch 300 Soldaten am Standort, die die Räumung der rd. 320 ha. Kaserne abwickelten: Als Standortübungsplatz 220 ha, 90 ha waren bebaut. Die meisten Gebäude, Anlagen und Befestigungen stammen aus dem Jahre 1937 und der Zeit nach 1960. Hinzu kamen 10 ha Sportflächen außerhalb des Zauns.
Insgesamt 36 % des bebauten Areals sind versiegelte Flächen – davon entfallen rd. 10 % (8,3 ha) auf Gebäude, 26 % (23,1 ha) auf bitumierte, asphaltierte oder gepflasterte Bereiche. Besonders auffällig sind die alten Bäume, die rund um die Mannschaftsgebäude im Norden der Kaserne einen Park bilden. Das Resümee: Alle Gebäude auf dem Gelände der Von-Goeben-Kaserne haben einen mittleren bis guten Erhaltungszustand. Ähnlich wird die Infrastruktur mit den Straßen und Ver- und Entsorgungseinrichtungen bewertet. Allerdings ist die Entsiegelung der betonierten Flächen mit großem Aufwand verbunden. Der Gutachter empfiehlt: „Das gesamte Gelände muss hinsichtlich dieses Verdachts und des möglichen Gefährdungspotentials untersucht werden."
Gegenüberstellung von Risiken und Chancen
Hemmnisse sind großflächige Bodenversiegelung, eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit der Gebäude, sanierungsbedürftige Bausubstanz, geringe Informationen über Versorgungsleitungen, Altlastenverdacht, geringe verkehrliche Verflechtung mit der Umgebung und Immissionen der benachbarten Betriebe (Airbuswerk).
Potentiale dagegen sind eine attraktive Lage am Stadtrand, städtebauliche Anordnung der Mannschaftsgebäude als künftiger Kern eines Wohngebietes, Hallen und befestigte Flächen für gewerbliche Nutzung, Möglichkeit der Entwicklung von Neubaugebieten auf Freiflächen, vorhandene Erschließung mit Ver- und Entsorgungseinrichtungen und Bestand an Grünflächen und Bäumen.
Das städtebauliche Konzept formuliert als Ziele: Wohnen (Nordwesten), Gewerbebetriebe (Süden) und eine angestrebte Fachhochschul-Ansiedlung im Osten. Ferner wird eine neue Erschließungsstraße als Verbindung der B 73 an die L 124 südlich der Kaserne vorgeschlagen. Diese Straße, die K 30 Süd, ist inzwischen, September 2011, kurz vor der Fertigstellung. Insgesamt ist die Entwicklung eines eigenständigen Stadtteils mit rd. 2.000 Einwohnern und entsprechenden Versorgungseinrichtungen das Ziel. Eine Mischung aus Wohnen und Arbeiten, wird angestrebt, wobei die Kasernenblöcke zu Wohnraum umgenutzt und auch Raum für Neubauten geschaffen werden soll. Damit wird es notwendig, den vorhandenen Kern aus Unterkunftsgebäuden durch eine weitere Wohnbebauung so weit zu ergänzen, dass ein lebendiger Stadtteil mit einer gesunden baulichen und sozialen Mischung einschl. der Infrastruktur entstehen kann.
Schockierend ist die im Gutachten genannte Kostenschätzung für die Gesamtkonversion mit einem Volumen von heute rd. 26 Mio. Euro (24 Mio. DM). Tatsächlich kam es jedoch zu erheblich geringeren Kosten. Durch wenige Abrisse, die Umnutzung aller Mannschaftsunterkünfte in Wohnraum und ähnlichen Maßnahmen konnten die Kosten auf 14,3 Mio. Euro reduziert werden.
Realisierung
Grundlage für die erfolgreiche Konversion ist ein Kooperationsmodell zwischen der Hansestadt und der Bundesrepublik Deutschland, das nach 10-monatiger Verhandlung im August 1996 vereinbart wurde:
Der Bund verkauft die einzelnen Grundstücke und Immobilien nicht wie andernorts an eine Entwicklungsgesellschaft, sondern voll erschlossen direkt an Einzelkäufer. Die Stadt ihrerseits ist für die Erschließung verantwortlich und bekommt für diesen Zweck die abgelösten Erschließungskosten und kostenlos die öffentlichen Flächen.
Andreas Ege, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben:
„Beim Stader Modell bleibt das Vermarktungsrisiko bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, aber auch die Erträge. Mit der Stadt Stade als verlässlichem Partner waren Planung und Erschließung schnell gesichert und blieben in einer Hand. …Der Planungsgewinn bleibt bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Die Stadt spart den Erschließungsanteil bei der Erschließung und durch die unmittelbaren Verkäufe an die Bauherren werden unnötige Zwischenhandelskosten, doppelte Grunderwerbssteuer u.ä. vermieden. Aus meiner Sicht ist die Konversion absolut gelungen.“
Zur wirtschaftlich/kaufmännischen Durchführung der Konversion hat die Hansestadt Stade außerdem eine Vereinbarung mit der BauBeCon Sanierungsträger GmbH (Bremen) abgeschlossen.
FazitDie gelungene Konversion der Von-Goeben-Kaserne zum neuen Stader Stadtteil hat Wohnraum für 2000 Einwohner geschaffen: In umgenutzten Mannschaftsunterkünften mit riesigen (200qm) oder kleineren (50 qm) Wohnungen auf einer Ebene oder als Maisonette, in neuen aufwendigen oder einfachen Häusern. In Ottenbeck arbeiten über 800 Menschen auf neuen Arbeitsplätzen. Das vorhandene Flugzeugwerk (Airbus) hat erheblich expandiert und beschäftigt z.Z. 2300 Personen. Es sind Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen mit anspruchsvollen Arbeitsplätzen entstanden. Außerdem ist Stade mit Ottenbeck zum Hochschulstandort mit zukunftsfähigem Profil (CFK) geworden. Das Wohnen und Arbeiten, das Leben geschieht in reizvoller Landschaft direkt am Landschaftsschutzgebiet: Halbwilde Galloways pflegen und sichern die Natur, ein von der Universität Kiel betreutes ökologisches Projekt.