Mit zwei Pionierprojekten aus dem Bereich Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft geht der Hohenlohekreis neue Wege beim kommunalen Klimaschutz. In mittlerweile 16 Lokalen, Restaurants, Metzgereien und Weinstuben im Hohenlohekreis können Kunden seit dem Sommer 2021 sagen: „Ich hätte gerne Hohenlohe to go.“ Gemeint ist damit, dass sie das kreisweite Mehrwegsystem für den Einkauf von Lebensmitteln oder zubereiteten Speisen nutzen wollen. Gegen eine Pfandgebühr von 5 € für Schalen bzw. 2,50 € für einen Kaffeebecher erhalten sie statt einer Einwegverpackung ein schickes schwarzes Behältnis mit eigens kreiertem Logo. Diese wird beim nächsten Besuch in einem der teilnehmenden Betriebe zurückgegeben, vor Ort professionell gereinigt und an den nächsten Kunden ausgegeben.

Gegen die Plastikflut: „Hohenlohe to go“

Bequem, unkompliziert und mit lokaler Identifikation: So schwebte es den Initiatoren im Hohenlohekreis zu Beginn des Jahres 2021 vor, als sie erste Überlegungen zu einem kreisweit einheitlichen Mehrwegsystem anstellten. Anlässe dazu gab es genügend: Mit der zeitweisen Schließung der Gastronomiebetriebe im Zuge der Schutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie erhöhte sich die Nutzung von Mitnahmeangeboten und damit des anfallenden Verpackungsmülls. Im Jahr 2020 waren es in Deutschland 35 kg pro Person. Das globale Plastikproblem zeigt sich in den Ozeanen, aber auch in den heimischen Wäldern, wo immer mehr Müll zu finden ist.

Zugleich unternimmt die Europäische Union erste Schritte zur Eindämmung der Plastikflut: Zum 3.7.2021 trat ein Verbot für Einweggeschirr und -besteck, Trinkhalme und Rührstäbchen aus Plastik sowie bestimmte Einwegbecher aus Kunststoff in Kraft. Seit diesem Jahr sind alle Einweg-Getränkeflaschen und -dosen pfandpflichtig und ab 2023 wird das Angebot einer Mehrwegalternative für Restaurants, Cafés und andere Anbieter von Mitnahmeangeboten für Speisen und Getränke verpflichtend.

Im Hohenlohekreis waren solche Behältnisse noch nicht weit verbreitet – gute Startbedingungen für die Einführung eines kreisweit einheitlichen Systems. Innerhalb von sechs Monaten konnte das Projekt umgesetzt werden, sodass der Hohenlohekreis nun der erste Landkreis in Baden-Württemberg ist, der mit „Hohenlohe to go“ ein einheitliches Mehrwegsystem für die lokale Gastronomie, für seine Bürger sowie Gäste aus nah und fern anbietet.

Die Idee wurde als gemeinsames Projekt vom Hohenlohekreis, der Wirtschaftsinitiative Hohenlohe, der Abfallwirtschaft Hohenlohekreis und der Touristikgemeinschaft Hohenlohe mit Unterstützung der DEHOGA Baden-Württemberg umgesetzt. Die finanziellen Mittel stellt die Sparkasse Hohenlohekreis bereit. Zur Durchführung wurde ein Bottom-up-Ansatz gewählt, um die Interessen aller Akteure – die Gastronomiebetriebe, die Gemeinden und die Bürgerschaft – im Prozess nicht nur zu berücksichtigen, sondern als künftige Anbieter und Kunden von Beginn an mitentscheiden zu lassen. Dazu lud die Projektgruppe zu drei digitalen Dialogforen im März und April 2021 ein, die auf große Resonanz in allen Interessensgruppen stießen.

Nach eingehender Beleuchtung der Vor- und Nachteile verschiedener Systeme und Anbieter entschieden sich die Teilnehmener am Ende für das Mehrwegsystem von „Local to go“ aus Cleebronn. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren u.a. die lange Lebensdauer der schwarzen Schalen, deren vollständige Verschließbarkeit sowie die einfache Handhabung für Kunden und Anbieter. Bereits zu Beginn des Austauschs hatte sich zudem deutlich abgezeichnet, dass ein System gewünscht wurde, dass individuell mit einem Branding versehen werden kann. Dies wurde mit einer eigens dafür gestalteten Silhouette mit Wahrzeichen aus dem Hohenlohekreis umgesetzt. Auch der Name des Mehrwegsystems wurde in dieser Runde gefunden: „Hohenlohe to go“. Schon im Juli 2021, weniger als sechs Monate nach Projektstart, konnten die ersten Kunden ihr Mittagessen in den neuen Behältnissen erwerben.

Um die Entscheidung für den Einstieg in das kreisweite Mehrwegsystem zu erleichtern, gibt es ein Förderprogramm der Wirtschaftsinitiative für Gastronomiebetriebe und andere Anbieter– auch um die durch die Corona-Pandemie stark angeschlagene Branche zu unterstützen. Sie übernimmt für die ersten 100 Teilnehmer die Monatsgebühr in Höhe von 35 € für sechs Monate, wenn ein Vertrag von mindestens einem Jahr mit dem Anbieter „Local to go“ abgeschlossen wird. Darüber hinaus stellen acht Gemeinden kommunale Fördermittel in gleicher Höhe bereit, sodass Gastronomiebetriebe das Mehrwegsystem im ersten Jahr komplett kostenfrei testen und einführen können. Zwölf Anbieter waren zum Auftakt an Bord, darunter Restaurants, Metzgereien, ein Biosupermarkt und Winzerstuben. Weitere sind inzwischen dazugekommen, viele noch in der Beratungsphase. Nun heißt es, „Hohenlohe to go“ durch aktive Öffentlichkeits- und Pressearbeit in der Bevölkerung bekannter zu machen und weitere Anbieter für die Teilnahme zu gewinnen.

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Auch bei einem zweiten Thema, das derzeit viele Menschen umtreibt, ist der Hohenlohekreis als Vorreiter im Land aktiv geworden: der Energiewende. Nicht erst seit diesem Jahr, doch verstärkt durch die zunehmend strengeren Maßnahmen für nachhaltige Energiegewinnung und steigende Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt, werden Strom und Kraftstoffe immer teurer. Daher ist es notwendig, alternative Quellen zu erschließen. Dabei gibt es neben der stark vorangetriebenen Elektrifizierung weitere Möglichkeiten, Kraftstoffe für die Mobilität zu gewinnen. Im Hohenlohekreis wird seit Oktober 2021 ein innovativer Ansatz zur Gewinnung von Biokraftstoff erprobt – und zwar aus Altspeisefetten. Als erster Landkreis in Baden-Württemberg beteiligt sich der Hohenlohekreis an der Initiative „Jeder Tropfen zählt“.

Dahinter steht die Firma „Altfettrecycling Lesch“ aus Thalmässing bei Nürnberg, die mit Mitteln der Deutschen Bundesstiftung Umwelt das Tochterunternehmen „Jeder Tropfen zählt“ gegründet hat. Das Projekt hat zwei Ziele: Zum einen sollen Abfall- und Reststoffe zielgerichtet weiterverwertet werden. Zum anderen können durch die Verwendung biologisch basierten Treibstoffs die CO₂-Emissionen im Straßenverkehr gesenkt werden.

Nach dem Start in Thalmässing 2018 wurde „Jeder Tropfen zählt“ in mittlerweile 14 Landkreisen in Bayern eingeführt. Im Landkreis Roth sammeln seit November 2021 sogar alle Gemeinden ihre Altspeisefettreste über das System. Mit dem Hohenlohekreis ist nun erstmals ein baden-württembergischer Landkreis dabei. Als Pilotkommune wurde die Große Kreisstadt Öhringen mit rund 25.000 Einwohnern ausgewählt. Projektpartner der Abfallwirtschaft Hohenlohekreis ist das in Öhringen ansässige Unternehmen Edi Energie-Direkt Hohenlohe.

Die praktische Umsetzung der Idee ist einfach und bequem: Gesammelt wird in wiederverwendbaren 1,2 Liter Flaschen aus recyceltem Kunststoff, die an speziellen Sammelstellen zurückgegeben werden können. Wer eine Flasche abgibt, erhält vom Automat einen neuen leeren Behälter. In Öhringen erfolgte Anfang Oktober 2021 mit Hilfe der Jugendfeuerwehr die kostenlose Erstausgabe von 11.000 Sammelbehältern an alle Haushalte in der Stadt und den Teilorten. Zugleich wurden vier Sammelautomaten im Stadtgebiet verteilt aufgestellt. Das gesamte System wird von „Jeder Tropfen zählt“ zur Verfügung gestellt.

Bereits nach zwei Wochen waren 500 gefüllte Behälter in den Sammelstellen abgegeben worden, nach drei Monaten schon 2.600 kg Altfett gesammelt. Ein wichtiger Baustein für den nachhaltigen Erfolg der Aktion ist damit bereits gelegt: die Bereitschaft und Mitmachfreude der Bevölkerung, einen konkreten Beitrag zu mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu leisten.

Für die Bürger hat „Jeder Tropfen zählt“ auch ganz persönliche Vorteile, denn nun gibt es in der Stadt eine einfache, elegante und kostenlose Möglichkeit, Altspeisefette zu entsorgen. Bislang stand hier keine zufriedenstellende Lösung zur Verfügung. Die Entsorgung erfolgte bestenfalls, indem das Altfett in eine PET-Flasche abgefüllt und im Hausmüll entsorgt wurde. In der Realität werden aber viele Altöl- und Altfettreste über den Abguss oder das WC entsorgt. Davor warnt Tim Hermann vom Umweltbundesamt: „Die Fette werden bei Kälte hart und können in den Abwasserkanälen zu Verstopfungen führen.“ Im Extremfall bilden sich sog. Fettberge, die für die Kanalisation zum Problem werden. Die Kosten dafür haben die Kommunen und damit die Allgemeinheit zu tragen. Daraus ergibt sich der konkrete Vorteil von „Jeder Tropfen zählt“ für die öffentliche Hand: Jeder Liter Speiseöl, der über den Ausguss oder das WC entsorgt wird, sorgt im Schnitt für Folgekosten von bis zu 70 Cent. Zudem kontaminiert unzureichend entsorgtes Altöl Frischwasser. Bereits 1 kg Fett kann bis zu 40.000 l Wasser verunreinigen.

Zudem bleibt auch bei korrekter Sammlung festzustellen: Hier wird ein wertvoller Rohstoff nicht ausreichend genutzt. Altöl ist kein Müll, sondern ein Wertstoff. Statt die Fette als Restmüll zu verbrennen, kann ihr hoher Energieanteil im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft besser verwertet werden. In einer 1,2-Liter-Flasche steckt Kraftstoff für eine Autofahrt von 20 km – fast genug für eine Fahrt quer durch den Hohenlohekreis.

Bausteine auf dem Weg zum klimafreundlichen Landkreis

Der jeweilige Erfolg von „Hohenlohe to go“ und „Jeder Tropfen zählt“ ist in hohem Maß auf die Akzeptanz und aktive Mitwirkung der Bürger angewiesen. In beiden Fällen kann nach Ende der Startphase eine positive Bilanz gezogen werden. Dennoch bedarf es weiterhin der Aufklärung über Öffentlichkeitsarbeit, Beratungsangebote und finanzielle Unterstützung. Für „Hohenlohe to go“ sind ausreichend Mittel zur Startfinanzierung für interessierte Gastronomiebetriebe bereitgestellt worden, um das Mehrwegsystem kreisweit zu etablieren. Bei „Jeder Tropfen zählt“ läuft der geförderte Projektzeitraum zunächst bis Herbst 2023. Jedoch kann angesichts des großen Starterfolgs davon ausgegangen werden, dass die Sammlung von Altspeisefetten in Privathaushalten nach Ablauf der Testphase auf das gesamte Kreisgebiet unbegrenzt ausgeweitet werden wird. Die Kosten dafür belaufen sich auf 1 € pro Jahr und Haushalt, was über die Abfallgebühr erhoben werden soll.

Beide Projekte – „Hohenlohe to go“ und „Jeder Tropfen zählt“ – sind Bausteine auf dem Weg zu einem klimafreundlicheren Landkreis. Sie zeichnen sich durch ihre konkrete und unkomplizierte Lösung eines akuten Problems sowie durch ihre bürgernahe und niedrigschwellige Umsetzung aus. Neben ihrem unmittelbaren Nutzen durch Abfallvermeidung bzw. Rückführung in die Kreislaufwirtschaft reagieren die Einführung des Mehrwegsystems und die Sammlung von Altspeisefetten auf die zunehmende Bereitschaft der Bevölkerung an die Verwaltung, mehr für den Klimaschutz zu tun und ein nachhaltiges Leben zu führen. Dabei ist auch die Verwaltung gefragt, dies möglich machen. Der Hohenlohekreis hat auf diese Handlungsaufforderung reagiert und sichtbare Zeichen für mehr Klimaschutz gesetzt.

Caroline Bogenschütz, Amt für Wirtschaftsförderung und Tourismus, Hohenlohekreis

 

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