Am 6.4.2022 fiel in Prenzlau der offizielle Startschuss für die Wasserstoffregion Uckermark-Barnim (H2UB). Der brandenburgische Wirtschaftsminister Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach übergab in diesem Rahmen offiziell den Förderbescheid für zwei Regionalmanager. Diese werden nun zunächst über einen Zeitraum von drei Jahren unter Zuhilfenahme der GRW-i Richtlinie des Landes Brandenburg sowie aus Eigenmitteln der beiden beteiligten Landkreise Uckermark und Barnim finanziert. Beide Personalstellen wurden von den Akteuren in der Region lange ersehnt.

Der Landkreis Uckermark ist schon seit langem Vorreiter im Bereich erneuerbare Energien. Die Topografie, gepaart mit einer dünnen Besiedelung, waren der Grund für den bereits frühen Aufbau von Erzeugungsanlagen grüner Energie. Diesen Standortvorteil sahen auch die Firmen der Branche, so dass der Landkreis heute auf die Ansiedlung mehrerer namhaften Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien zurückblicken kann.

Diese Firmen bereichern mit ihrem Know-how sowie ihrem Mut zu Innovationen und Investitionen die gesamte Region. Wie wichtig diese Eigenschaften für Entwicklungen hier vor Ort sind, lässt sich am Thema Wasserstoff sehr gut darstellen.

Wasserstoff – in der Uckermark bereits seit über zehn Jahren ein Thema…

Grüner Wasserstoff, nach der Jahrtausendwende noch ein absolutes Nischenthema, beschäftigte bereits damals schon den Gründer der Firma ENERTRAG. Seine Vision: die Speicherung von Überschüssen bei der Produktion von erneuerbaren Energien sowie der netzdienliche Betrieb eines grünen Kraftwerkes. Bereits 2011 sollte die Idee in Form des weltweit ersten Hybridkraftwerkes Realität werden Seither wird am Stadtrand von Prenzlau aus grünem Strom Wasserstoff hergestellt. Dieser wird hauptsächlich dem Erdgasnetz beigemischt, jedoch auch in Druckflaschen für weitere Anwendungen verpresst und kann weiterhin auch bei Bedarf in Blockheizkraftwerken rückverstromt werden.

Die Anlage hat eine Leistung von rund 560 kW und erlaubte es ENERTRAG, weitreichende Erfahrungen bei der Erzeugung von Wasserstoff zu sammeln.

…und heute aktueller denn je

Heute, mehr als zehn Jahre später, haben auch Politik und Wirtschaft das große Potenzial des Wasserstoffs erkannt. Die Zeit drängt. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen alle Sektoren und Prozesse so schnell wie möglich dekarbonisiert werden. Wasserstoff ist hierbei kein Allheilmittel, jedoch ein notwendiger Pfad, welcher für bestimmte Anwendungsbereiche aus heutiger Sicht eine Lösung darstellt.

In der Uckermark entwickelt die Firma ENERTRAG eine ganze Reihe von Projekten und treibt damit den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft voran. Nicht nur, dass das Unternehmen mehrere neue Wasserstofferzeugungsanlagen in der Region plant, auch ein dichtes Wasserstoff-Tankstellennetz soll entstehen. Der Grundstein hierfür wurde bereits gelegt. Ende 2021 nahm die erste Wasserstofftankstelle in der Region ihren Probebetrieb auf. Die Tankstelle verfügt über zwei Kompressorstufen, die Betankungen mit 350 und 700 bar für Nutzfahrzeuge und PKW erlauben. Die Tankstelle in Prenzlau schließt damit die Versorgungslücke im Nordosten der Republik.

Westlich befinden sind die nächsten Tankstellen in Rostock, Neuruppin und Berlin. Östlich liegt die nächste bereits fertiggestellte Wasserstofftankstelle in Riga (Lettland).

Das Besondere an der Wasserstoffzapfsäule von ENERTRAG: Hier wird 100 % grüner und regional erzeugter Wasserstoff vertankt.

Wasserstofftankstelle
Einweihung der Wasserstofftankstelle der Firma Enertrag in Prenzlau im Beisein von Landrätin Karina Dörk, Landkreis Uckermark (3.v.l.). Foto: Landkreis Uckermark

Der Landkreis als Akteur auf dem „Wasserstoffparkett“

Bei den aufgeführten Leuchtturmprojekten handelt es sich ganz klar um Erfolge eines privatwirtschaftlichen Unternehmens. Die Verwaltung des Landkreises war in der Vergangenheit in die beschriebenen Projekte lediglich durch die Prüfung und Bearbeitung von Anträgen eingebunden.

In den vergangenen zwei Jahren wandelte sich jedoch dieses Verhältnis. Durch den Energie- und Klimaschutzmanager des Landkreises, die Wirtschaftsförderung Uckermark sowie die gemeinsame regionale Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim wurde ein Netzwerk initiiert, welches als Plattform für die Akteure der Region in punkto Wasserstoff dient. Parallel wurden nun auch erste Projekte besprochen, welche die Tochtergesellschaften des Landkreises direkt betrafen. Da Wasserstoff zunächst besonders im Schwerlastverkehr seine wirtschaftlichen Anwendungsbereiche finden wird, waren es die Verkehrsgesellschaft sowie das Entsorgungsunternehmen des Landkreises, die Interesse an der Wasserstofftechnologie anzeigten. Durch diese Anwendungsbereiche intensivierte sich natürlich die Zusammenarbeit zwischen dem Landkreis als potenziellem Abnehmer des Wasserstoffs und der Firma ENERTRAG als Produzent und Zulieferer.

Heute ist der Landkreis selbst aktiver Teil der Wasserstoffregion Uckermark-Barnim. Gewissermaßen als erster Baustein bewegt die Uckermärkische Verkehrsgesellschaft zwei Wasserstoffbusse im Nationalpark Unteres Odertal. Beide Busse wurden durch den Zukunftsinvestitionsfonds des Landes Brandenburg gefördert. Hierbei handelt es sich um das europaweit erste Projekt, bei welchem Dieselbusse aus dem vorhandenen Bestand auf Wasserstoff-Brennstoffzellentechnik umgerüstet wurden. Der Umbau der Busse erfolgte durch das Hamburger Unternehmen Clean Logistics.

Auch die Dienstleistungsgesellschaft des Landkreises, das mit der Abfallentsorgung betraut ist, hat Förderanträge für die Beschaffung erster Wasserstoff-Müllfahrzeuge gestellt.

In der Region versuchen momentan Verwaltung sowie Industrie gemeinsam, das „Henne-Ei- Problem“ zu lösen und auf der einen Seite eine Grundabnahme an Wasserstoff zu generieren, damit sich die notwendige Wasserstoffinfrastruktur möglichst schnell trägt und möglichst zügig weiter ausgebaut werden kann. Demgegenüber steht aktuell noch - und das muss an dieser Stelle auch deutlich herausgestellt werden -, dass die Nutzung von Wasserstoff immer noch eine finanzielle Mehrbelastung bedeutet. Anfang des Jahres waren die Mehrkosten der H2-Busse im Betrieb noch dreimal so hoch im Vergleich zum konventionellen Diesel. Wie sich dieses Gefüge angesichts der aktuellen Entwicklungen an den Energiemärkten (Kraftstoffe sowie auch Strom) zukünftig darstellen wird, bleibt spannend.

Zumindest beim Wasserstoff selbst ist nun ein klarer Trend zu identifizieren, denn mit den steigenden Gaspreisen ist grüner Wasserstoff erstmals günstiger als grauer.

Netzwerk und Strategie

Es ist wichtig, sich im Klaren darüber zu sein, dass sich die Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft nicht an administrative Grenzen hält. Dies gilt weder für die Produktion von Wasserstoff noch für den Einsatz des Energieträgers. Dies bedeutet, dass unser Netzwerk H2UB zwar einen regionalen Fokus haben darf und soll, dass jedoch alle Akteure aus der gesamten Bundesrepublik, aus den Nachbarstaaten und auch darüber hinaus an unserem Netzwerk teilhaben können. An dieser Stelle wird noch einmal die Relevanz unserer neuen Wasserstoff-Regionalmanager deutlich, denn diese Vernetzung gilt natürlich auch andersherum. Auch die Wasserstoffregion Uckermark-Barnim sollte in anderen bestehenden Netzwerken präsent sein und hierfür bedarf es entsprechender personeller Kapazitäten.

In der Anfangsphase der konkreten Umsetzung von Projekten versuchen wir jedoch, vom Lokalen zum Überregionalen zu denken. Gerade die öffentliche Hand mit ihren Schwerlastfahrzeugen bietet sich dafür an, als Initialzündung für eine Wasserstoffinfrastruktur zu fungieren. Die Busse im ÖPNV sowie die Abfallsammelfahrzeuge haben gegenüber den meisten Anwendungen in der freien Wirtschaft einen entscheidenden Vorteil. Sie sind lokal gebunden und benötigen lediglich eine entsprechende Tankstelle in der Nähe des Betriebshofes. Mit ihnen ist es möglich, die Betankungsinfrastruktur schrittweise auszubauen.

Kooperation mit unserem Nachbarlandkreis sowie besondere Herausforderungen

Auch der Landkreis Barnim geht diesen Weg. Zusätzlich wird hier künftig noch ein weiterer Baustein der Wasserstoffmobilität zu finden sein. Die Heidekrautbahn wird als erster Wasserstoffzug die Hauptstadt mit dem Umland verbinden. In diesem konkreten Projekt bringen viele Akteure ihre Expertise ein. Für die Frage, wie der Wasserstoff letztlich in die Bahn kommt und wie dieser produziert wird, ist auch hier wieder das innovative Erneuerbare-Energien-Unternehmen mit Sitz in Dauerthal bei Prenzlau verantwortlich.

Eine große Herausforderung liegt für uns in den kommenden Monaten darin, nun auch kleinere Unternehmen auf dem Weg zur Wasserstoffwirtschaft mitzunehmen.

Die Netzwerkarbeit der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass besonders die großen Player der Region, die Energielösungen gewissermaßen als ihr Tagesgeschäft verstehen, bereits sehr gut aufgestellt sind. Die Bereitschaft zum Austausch auch mit kleineren Unternehmen ist durchaus gegeben, dennoch fällt es schwer, diese kleineren Organisationseinheiten im Prozess adäquat mitzunehmen. Daher hat sich auch die Wasserstoffregion Uckermark-Barnim bei dem Bundeswettbewerb HyExperts beworben - leider erfolglos. Wir versprachen uns durch die Teilnahme für die Region unter anderem konkreteres Datenmaterial, das als Grundlage für fundierte Investitionsentscheidungen gerade bei kleineren Akteuren dienen sollte.

Künftige Herausforderungen

Die Potenziale, aber auch die Herausforderungen für die Region sind groß. Das Spannungsfeld liegt in der Charakteristik des Raumes, in welchem sich Ausdehnungsgebiete der Metropolregionen Berlin und Stettin einerseits mit ländlichen und sehr dünn besiedelten Gebieten andererseits abwechseln. Adäquat bedeutet dies auf der einen Seite große Energiebedarfe und auf der anderen Seite viel weite Fläche mit einer bereits heute enormen erneuerbaren Stromproduktion. Eigentlich beste Voraussetzungen, wäre dort nicht die unzureichende Übertragungsnetz-Situation. Aus unserer Sicht ist dies der größte Hemmschuh bei der sinnvollen Verwertung unserer Potenziale. Das Problem des E.DIS-Netzes, in dem sich die Uckermark befindet, ist: In keiner Region der Welt ist eine so hohe Konzentration an installierter erneuerbarer Leistung im Verhältnis zur maximalen Verbrauchslast zu finden.

Blicken wir in die Zukunft, so wird sich dieses Bild weiter verschärfen. Der Handlungsdruck durch das wachsende Bewusstsein für den Klimawandel, der hieraus resultierende enorme zusätzliche Bedarf an grüner Energie, der aktuelle Drang nach einem möglichst unabhängigen Energiesystem - all dies wird in den kommenden Jahren dazu führen, dass sich die Schere zwischen Erzeugung und regionalem Bedarf weiter vergrößert.

Die Ausnutzung der Überkapazitäten vor Ort und die Umwandlung dieser Herausforderung in regionale Wertschöpfung ist unser erklärtes Ziel.

Chancen der Wasserstoffwirtschaft

Erste Ansätze zur Verwertung dieser Potenziale laufen bereits. So ist die Firma ENERTRAG dabei, mit Gemeinden der Uckermark Standorte für grüne Gewerbegebiete zu finden und zu entwickeln. Auch laufen bereits Überlegungen, entstehende Abwärme, die bei der Wasserstoffproduktion durch Elektrolyseure entsteht, sinnvoll zu verwerten und in lokale Fernwärmenetze einzuspeisen. Auch hier zeigt sich die sinnvolle Ausnutzung von Synergien durch die Zusammenarbeit von Privatwirtschaft und öffentlicher Hand bzw. deren Tochtergesellschaften. Dies ist jedoch auch nur möglich, wenn gewachsene Strukturen vorliegen und jahrelang ein Vertrauensverhältnis zwischen den Akteuren aufgebaut wurde.

Stefan Them, Amt für Kreisentwicklung, energie- und Klimaschutzmanagement, Landkreis Uckermark

 

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