Zusammenfassung
Die Landkreise konnten im vergangenen Jahr in bundesweiter Betrachtung aufgrund der 2020 noch von den Corona-Folgen weitgehend unberührten Zuweisungen der Länder, der ebenfalls noch unberührten Kreisumlageeinnahmen, den Unterstützungsprogrammen der Länder sowie der der um 25 Prozentpunkte erhöhten Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft einen Überschuss von 1,6 Mrd. € verzeichnen. Ohne die erhöhte Bundesbeteiligung hätte er nur bei knapp 0,2 Mrd. € gelegen. Insgesamt 117 (= 40 %) der 294 deutschen Landkreise konnten den rechnerischen Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben nicht erreichen, wiesen unabgedeckte Altlasten auf oder mussten auf die (Ausgleichs-)Rücklage zum Erreichen des Haushaltsausgleichs zurückgreifen.
Für das aktuelle Jahr ist angesichts der - trotz der Bemühungen vieler Länder, die Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich zu stabilisieren - angespannten finanzwirtschaftlichen Situation erstmals wieder seit 2011 mit einem Defizit von -0,15 Mrd. € zu rechnen. (Tabelle ) 149 Landkreise (= 50,7 % aller 294 Landkreise) werden einen defizitären Kreishaushalt aufweisen, haben Altfehlbeträge oder müssen auf die (Ausgleichs-)Rücklage zum Erreichen des Haushaltsausgleichs zurückgreifen. (Karte ).
Im Einzelnen
Auf der Einnahmeseite bilden die Zuweisungen der Länder und die von den kreisangehörigen Gemeinden erhobene Kreisumlage die Haupteinnahmequellen der Landkreise (Abbildung ). Im Zentrum der Zuweisungen stehen neben den Bundesbeteiligungen an den Kosten der Unterkunft und an der Grundsicherung im Alter vor allem die kommunalen Finanzausgleiche der Länder (Abbildungen zu den KFAs der einzelnen Länder gesammelt). Da bei ihnen überwiegend auf Prognosedaten der Steuerschätzung zurückgegriffen und erst rückwirkend - i.d.R. im zweiten Folgejahr - eine Spitzabrechnung der erfolgten „Unter oder Überzahlungen“ vorgenommen wird, blieben 2020 die Zuweisungen der Länder an die Kommunen von den Corona-Folgen noch weitgehend unberührt. Insgesamt nahmen 2020 unter Berücksichtigung der coronabedingten Länderhilfen und der aufgestockten Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft sowie der Breitbandförderung die Zuweisungen an die Landkreise um 11,7 % zu. Dabei stiegen die laufenden Zuweisungen um 10,9 % und die investiven Zuweisungen um 28,2 %.
2021 haben nahezu alle Länder haben Maßnahmen ergriffen, um die kommunalen Finanzausgleiche abzustützen (Volumen der KFA Maßnahmen ). Trotzdem nehmen die laufenden Zuweisungen an die Landkreise 2021 lediglich um 0,8 % zu, während die investiven Zuweisungen um 12,6 % und damit trotz der erweiterten Förderprogramme und des auslaufenden ersten Kapitels des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes mit einer deutlich reduzierten Dynamik aufwachsen. Insgesamt nehmen die die Zuweisungen an die Landkreise um 4,5 % zu.
Die Folgen der Corona-Pandemie für die Kreisumlage werden je nach Landrechtslage erst 2021 (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, im Saarland, Sachsen und in Schleswig-Holstein) oder 2022 (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt) in Kreisumlagegrundlagen sichtbar werden, soweit die gemeindliche Steuereinnahmen betroffen sind. Dabei bestehen hinsichtlich des Gewichts der Kreisumlage in den Kreishaushalten immer noch große Ost-West-Unterschiede. Über die Jahre seit 1992 hinweg betrachtet werden in den alten Bundesländern nur 40-45 % und in den neuen Bundesländern lediglich 20-25 % der Kreisausgaben über die Kreisumlage finanziert (Übersicht nach Ländern 2020 ). Die Kreisumlagegrundlagen entwickeln sich 2021 deutlich verhaltener als im Vorjahr; sie legen aber noch um 2,2 % zu. Zudem wird in insgesamt 128 Landkreisen (= 43,5 %) der Hebesatz gesenkt. In weiteren 104 (= 35,4 %) bleibt er auf dem Vorjahresniveau. In vier Fünfteln der Landkreise wird mithin mit Rücksicht auf die gemeindliche Finanzsituation trotz der verschlechterten Ausgangssituation der Kreisumlagesatz nicht erhöht oder sogar gesenkt und das Kreisumlageaufkommen nimmt 2021 nur um 0,9 % zu.
Ausgabeseitig wird die Situation der Kreisfinanzen vor allem von den Ausgaben der Landkreise für soziale Leistungen dominiert, da die Landkreise in der Regel angesprochen sind, wenn die Kommunen bei der Umsetzung von Sozialgesetzen gefordert sind. Die Landkreise tragen von den gesamten kommunalen Ausgaben für soziale Leistungen von rund 46 %. Über die Hälfte der kommunalen Ausgaben für Grundsicherung für Arbeitsuchende und der in den vergangenen Jahren rasant gestiegenen Ausgaben für Asylbewerberleistungen sowie zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung werden von den Landkreisen getragen. Auch im Bereich der Jugendhilfe, der Hilfe zur Pflege und der milliardenschweren Eingliederungshilfe für behinderte Menschen sind die Landkreise kommunaler Hauptlastträger (Abbildung ). Über die Umlagen an die höheren Kommunalverbände (Abbildung ), die zusammen etwa knapp die Hälfte der Ausgaben für die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und rund 30 % der Ausgaben zur Hilfe zur Pflege stemmen, kommen weitere, indirekte Lasten aus dem Sozialbereich hinzu. Wie erwartet erhielten coronabedingt die Ausgaben der Landkreise für soziale Leistungen 2020 eine deutliche Dynamik (+5 %). Die Landkreisausgaben für Kosten der Unterkunft nahmen – vor allem in der zweiten Jahreshälfte – nach den Rückgängen in der jüngeren Vergangenheit pandemiebedingt um 2,6 % auf 6,35 Mrd. € zu. Für 2021 ist mit weiteren Ausgabezuwächsen zu rechnen.
Zur Abfederung und Bewältigung der wirtschaftlich-sozialen Folgen der Pandemie entstanden darüber hinaus weitere Aufwendungen etwa im Bereich der Jugendhilfe. Ebenso wie andere waren die Landkreise zudem mit Infektionsschutzerfordernissen etwa als Schulträger, bei Leistungen mit Publikumsverkehr aber auch im normalen Verwaltungsablauf konfrontiert. Die Ausgaben zum laufenden Sachaufwand stiegen 2020 entsprechend (+6,5 %). Überaus hohe Ausgabezuwächse waren dabei mit 28,9 % flächendeckend bei den Aufwendungen für Geräte, Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenstände zu erkennen. Im Personalbereich ist auch 2021 - auch unter dem Eindruck von Corona - mit hohen Ausgabesteigerungen zu rechnen. Unter Einschluss des Tarifergebnisses und der Besoldungsanpassungen sowie der aus den Haushaltsplanungen der Landkreise erkennbaren personalwirtschaftlichen Maßnahmen und unter Berücksichtigung der verabredeten personellen Aufstockung des öffentlichen Gesundheitsdienstes ist mit einem weiteren Aufwuchs der Ausgabebelastungen um 4,8 % zu rechnen.
Im Bereich der Investitionen ist die kommunale Ebene weiterhin die einzige Ebene, die seit 2003 durchgängig negative Nettoinvestitionen, d.h. einen Vermögensverzehr zu verzeichnen hat (Abbildung ). Mit Stand 2020 ist für die Kreishaushalte ein Investitionsstau von rund 25,1 Mrd. € festzustellen, von dem der größte Anteil auf den Bereich der Schulen entfällt, gefolgt von der Straßen- und Verkehrsinfrastruktur, öffentlichen Verwaltungsgebäuden sowie dem Breitbandausbau. V.a. die Investitionen in die Kreisstraßen, denen bei einem Anteil von 40 % an den Straßen mit überörtlicher Erschließungsfunktion eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung zukommt, mussten in den vergangenen Jahren aufgrund der Finanznot und sinkender Zuschüsse zurückgefahren werden. Für 2021 ist unter dem Eindruck der Maßnahmen zur Umsetzung der Breitbandausbauförderung sowie des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes trotz der finanzwirtschaftlich angespannten Situation nur mit einer leichten Abnahme der Sachinvestitionstätigkeit der Landkreise um -0,6 % zu rechnen.
Fazit
Die Pandemie hat erneut die fehlende Widerstandsfähigkeit (Krisenresilienz) der kommunalen Haushalte offengelegt. Bei einem Anteil an den öffentlichen Steuereinnahmen von 12-14 % und einem Ausgabeanteil von mehr als 25 % liegt es auf der Hand, dass die Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben schon in Normalzeiten auf eine Aufstockung ihrer Einnahmen angewiesen sind. Die Landkreise sind sogar ohne eigene Steuereinnahmen. Unter dieser Bedingung werden jedoch zusätzliche einnahme- und ausgabeseitige Herausforderungen, wie sie auch mit der Corona-Pandemie einhergehen, schnell zu einem generellen fiskalischen Problem. Deshalb lautet die Forderung nach wie vor: Eine Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der kommunalen Haushalte erfordert eine Aufstockung der originären kommunalen Steuereinnahmen. Dies ist bei einem Anteil an den Gesamtsteuereinnahmen, der nahezu halb so groß wie der Anteil an den gesamtstaatlichen Ausgaben ist, geradezu offenkundig. Angesichts der Soziallastigkeit der kommunalen Ausgaben kann das nicht über die klassischen kommunalen Steuern erfolgen. Stattdessen sollte man sich von dem nur aus der Vergangenheit erklärbaren Verteilungsmaßstab des kommunalen Umsatzsteueranteils lösen, diesen spürbar aufstocken und nach Einwohnern verteilen. Adressat müssen die kommunalen Soziallastenträger, d.h. die Landkreise und kreisfreien Städte, sein.
Die Abbildungs- bzw. Tabellennummern orientieren sich an der Darstellung im Kreisfinanzbericht 2020/2021 (erschienen als Oktober-Ausgabe 2021 von „Der Landkreis“).