Zusammenfassung

Die Landkreise schlossen 2021 trotz der Bemühungen vieler Länder, die Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich zu stabilisieren, wie erwartet erstmals seit 2011 wieder mit einem Defizit ab. Es fiel mit -503 Mio. € um rund 350 Mio. € schlechter aus als erwartet (-150 Mio. €). Gegenüber dem Vorjahr verschlechterte sich die Finanzlage der Landkreise um deutliche -2,1 Mrd. €. Insgesamt 141 der 294 deutschen Landkreise (48 %) konnten den rechnerischen Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben nicht erreichen, wiesen unabgedeckte Altlasten auf oder mussten auf die (Ausgleichs-)Rücklage zum Erreichen des Haushaltsausgleichs zurückgreifen.

Im Jahr 2022 werden die Landkreise vor dem Hintergrund steigender Preise und der angespannten finanzwirtschaftlichen Situation tiefer ins Minus rutschen. Nach der Prognose des Deutschen Landkreistages ist ein Defizit von -1,2 Mrd. € und damit eine weitere Ergebnisverschlechterung um -0,7 Mrd. € zu erwarten. (Tabelle pdf) 170 Landkreise (= 57,8 % aller 294 Landkreise) haben Probleme beim Haushaltsausgleich, etwa, weil sie den Haushaltsausgleich nicht schaffen (39 Landkreise = 13,3 %), ungedeckte Altfehlbeträge aufweisen (14 Landkreise = 4,8 %) oder den Haushaltsausgleich nur unter Inanspruchnahme der Ausgleichsrücklage oder der allgemeinen Rücklage (117 Landkreise =39,8 %) bewältigen können. (Karte pdf).

Im Einzelnen

Auf der Einnahmeseite bilden die Zuweisungen der Länder und die von den kreisangehörigen Gemeinden erhobene Kreisumlage die Haupteinnahmequellen der Landkreise (Abbildung pdf). Im Zentrum der Zuweisungen stehen neben den Bundesbeteiligungen an den Kosten der Unterkunft und an der Grundsicherung im Alter vor allem die kommunalen Finanzausgleiche der Länder (Abbildungen zu den KFAs der einzelnen Länder gesammelt pdf). 2021 haben nahezu alle Länder haben Maßnahmen ergriffen, um die kommunalen Finanzausgleiche abzustützen. Die Zuweisungen an die Landkreise nahmen 2021 nahmen daher insgesamt und bundesweit wie prognostiziert um 4,5 % zu. Dabei wuchsen die laufenden Zuweisungen mit 4,5 % allerdings deutlich dynamischer als erwartet auf. Spiegelbildlich blieben die investiven Zuweisungen mit +5,4 % hinter den Erwartungen zurück.

2022 nimmt das Volumen der kommunalen Finanzausgleiche ebenfalls zu. (Volumen der KFA pdf). Es ist zu erwarten, dass die Zuweisungen an die Landkreise insgesamt um 4,1 % zunehmen. Dabei wachsen die laufenden Zuweisungen unter Berücksichtigung der auf die ukrainischen Kriegsflüchtlinge bezogenen Hilfen um 3,6 % auf, während die investiven Zuweisungen um 12,1 % und damit trotz der erweiterten Förderprogramme und des auslaufenden ersten Kapitels des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes mit einer eher reduzierten Dynamik ansteigen. Die Sonderreglung für die flüchtlingsbedingten Kosten der Unterkunft und Heizung ist indes 2022 ausgelaufen. Die Gesamt-Bundesbeteiligung an den KdU liegt nun im Bundesdurchschnitt zunächst bei 68,8 v.H. Es besteht die bei der Besprechung des Bundeskanzlers mit Ministerpräsidentenkonferenz am 7.4.2022 gegebene Zusage des Bundes, einvernehmlich mit den Ländern in diesem Jahr eine Regelung zur Verstetigung der Beteiligung des Bundes an den flüchtlingsbezogenen Kosten sowie den Aufwendungen für Integration der Länder und Kommunen zu finden, die rückwirkend ab dem 1.1.2022 gelten soll. Der Deutsche Landkreistag erwartet hier mit Blick auf die benötigte Planungssicherheit eine schnelle Einigung.

Das Wachstum der Kreisumlagegrundlagen hatte 2021 in der Dynamik deutlich abgenommen. Während 2020 die Kreisumlagegrundlagen im bundesdeutschen Durchschnitt noch um 5,2 % aufwuchsen, nahmen sie im vergangenen Jahr deutlich schwächer um 2,4 % zu. 2022 nehmen sie infolge der wieder deutlich ansteigenden gemeindlichen Steuereinnahmen sichtbar stärker um knappe 5,1 % zu. Trotz des verhaltenen Zuwachses der Kreisumlagegrundlagen wurde 2021 in 232 Landkreisen – dies entspricht 78,9 % aller Landkreise – die Kreisumlagehebesätze beibehalten oder sogar gesenkt. Im aktuellen Jahr 2022 wird in 205 Landkreisen bzw. 69,7 % der Landkreise mit Rücksicht auf die gemeindliche Finanzsituation trotz der verschlechterten Ausgangssituation der Kreisumlagesatz nicht erhöht oder sogar gesenkt. Als Ergebnis des Zusammenspiels von Kreisumlagegrundlagen und Kreisumlagehebesatzgestaltung hat im Jahr 2021 das Aufkommen aus der Kreisumlage in den Landkreisen bundesweit wie erwartet nur schwach um 0,7 % zugenommen. Das Kreisumlageaufkommen 2022 wird voraussichtlich um knappe 5 % steigen. Über die Jahre seit 1992 hinweg betrachtet werden in den alten Bundesländern nur 40-45 % und in den neuen Bundesländern lediglich 20-25 % der Kreisausgaben über die Kreisumlage finanziert (Übersicht nach Ländern 2021 pdf).

Ausgabeseitig wird die Situation der Kreisfinanzen vor allem von den Ausgaben der Landkreise für soziale Leistungen dominiert, da die Landkreise in der Regel angesprochen sind, wenn die Kommunen bei der Umsetzung von Sozialgesetzen gefordert sind. Die Landkreise tragen von den gesamten kommunalen Ausgaben für soziale Leistungen von rund 46 %. Über die Hälfte der kommunalen Ausgaben für Grundsicherung für Arbeitsuchende und der in den vergangenen Jahren rasant gestiegenen Ausgaben für Asylbewerberleistungen sowie zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung werden von den Landkreisen getragen. Auch im Bereich der Jugendhilfe, der Hilfe zur Pflege und der milliardenschweren Eingliederungshilfe für behinderte Menschen sind die Landkreise kommunaler Hauptlastträger (Abbildung pdf). Über die Umlagen an die höheren Kommunalverbände (Abbildung pdf), die zusammen etwa knapp die Hälfte der Ausgaben für die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und rund 30 % der Ausgaben zur Hilfe zur Pflege stemmen, kommen weitere, indirekte Lasten aus dem Sozialbereich hinzu. Wie erwartet wiesen die Ausgaben der Landkreise für soziale Leistungen auch 2021 eine deutliche Dynamik auf (+4,1 %).

Bei den Ausgaben zum laufenden Sachaufwand ist derzeit besonderes Augenmerk auf die allgemeine und insbesondere die Energiepreisentwicklung zu legen, die bereits 2021 neben den Corona-bedingten Aufwendungen deutliche Spuren in der Entwicklung der Ausgaben für den laufenden Sachaufwand hinterließen (+9,4 %). Für 2022 lassen die Haushaltsplanungen der Landkreise erwarten, dass die Ausgaben für den laufenden Sachaufwand in den Landkreisen insbesondere preisgetrieben um 6,5 % zunehmen werden.

Ebenfalls eine hohe Dynamik weisen die Personalausgaben der Landkreise auf (2021: +5%). Auch 2022 bleibt - auch unter dem fortwährenden Eindruck der Corona-Pandemie - mit hohen Ausgabesteigerungen zu rechnen. Es ist unter Einschluss des Tarifergebnisses und der Besoldungsanpassungen sowie der aus den Haushaltsplanungen der Landkreise erkennbaren personalwirtschaftlichen Maßnahmen und unter Berücksichtigung der verabredeten personel-len Aufstockung des öffentlichen Gesundheitsdienstes mit einem weiteren Aufwuchs der Ausgabebelastungen um 5,3 % zu rechnen.

Im Bereich der Investitionen ist die kommunale Ebene weiterhin die einzige Ebene, die seit 2003 durchgängig negative Nettoinvestitionen, d.h. einen Vermögensverzehr zu verzeichnen hat (Abbildung pdf). Mit Stand 2021 ist für die Kreishaushalte ein Investitionsstau pdf von rund 23,5 Mrd. € festzustellen, von dem der größte Anteil auf den Bereich der Schulen entfällt, gefolgt von der Straßen- und Verkehrsinfrastruktur, öffentlichen Verwaltungsgebäuden sowie dem Breitbandausbau. V.a. die Investitionen in die Kreisstraßen, denen bei einem Anteil von 40 % an den Straßen mit überörtlicher Erschließungsfunktion eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung zukommt, mussten in den vergangenen Jahren aufgrund der Finanznot und sinkender Zuschüsse zurückgefahren werden. Für 2022 ist unter dem Eindruck der Maßnahmen zur Umsetzung der Breitbandausbauförderung sowie des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes trotz der finanzwirtschaftlich angespannten Situation mit einer Zunahme der Sachinvestitionstätigkeit der Landkreise um 8,2 % zu rechnen.

Fazit

Die Corona-Pandemie und die Energiepreissteigerungen legen erneut die fehlende Widerstandsfähigkeit (Krisenresilienz) der kommunalen Haushalte offen. Bei einem Anteil an den öffentlichen Steuereinnahmen von 12-14 % und einem Ausgabeanteil von mehr als 25 % liegt es auf der Hand, dass die Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben schon in Normalzeiten auf eine Aufstockung ihrer Einnahmen angewiesen sind. Die Landkreise sind sogar ohne ei-gene Steuereinnahmen. Unter dieser Bedingung werden jedoch zusätzliche einnahme- und ausgabeseitige Herausforderungen, wie sie auch mit der Corona-Pandemie einhergehen, schnell zu einem generellen fiskalischen Problem. Deshalb lautet die Forderung nach wie vor: Eine Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der kommunalen Haushalte erfordert eine Aufstockung der originären kommunalen Steuereinnahmen. Dies ist bei einem Anteil an den Gesamtsteuereinnahmen, der nahezu halb so groß wie der Anteil an den gesamtstaatlichen Ausgaben ist, geradezu offenkundig. Angesichts der Soziallastigkeit der kommunalen Ausgaben kann das nicht über die klassischen kommunalen Steuern erfolgen. Stattdessen sollte man sich von dem nur aus der Vergangenheit erklärbaren Verteilungsmaßstab des kommunalen Umsatzsteueranteils lösen, diesen spürbar aufstocken und nach Einwohnern verteilen. Adressat müssen die kommunalen Soziallastenträger, d.h. die Landkreise und kreisfreien Städte, sein.

Die Abbildungs- bzw. Tabellennummern orientieren sich an der Darstellung im Kreisfinanzbericht 2021/2022 (erschienen als Oktober-Ausgabe 2022 von „Der Landkreis“).

 

 

Der kommunale Spitzenverband der 294 Landkreise

Der Deutsche Landkreistag (DLT) vertritt drei Viertel der kommunalen Aufgabenträger, rund 96 % der Fläche und mit 57 Mio. Einwohnern 68 % der Bevölkerung Deutschlands.

Deutscher Landkreistag

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